ICQ: Von der 90er-Jahre Sensation zum heutigen Underdog (2024)

Die 90er Jahre waren geprägt von ICQ, dem damals führenden Messenger-Dienst. Mit der Zeit haben jedoch Dienste wie WhatsApp und Telegram die Position von ICQ übernommen. Ein Blick zurück wirft jedoch die Frage auf: Ist der ICQ-Messenger noch im Einsatz?

  • ICQwar einst angesagtesterMessenger-Dienst
  • AOLkaufte ICQ,BreitbandnetzundFacebooklösten es ab
  • Heute gehört ICQ zurVK Group, Weiterentwicklung undneue Features
  • Ende-zu-Ende Verschlüsselungauch bei Videoanrufen, möglicheWhatsApp-Alternative

Per Telefon oder persönlich, so verabredete man sich noch in den 90er Jahren. ICQ machte das nun auch per Computer möglich. Die Software war kostenlos. Auf dem Computer hattest du das Programm schnell installiert, deine Daten eingegeben und konntest loslegen. Jeder User erhielt eine ICQ-Nummer, die anfangs sechsstellig, bald achtstellig war. Damals tauschte man eher die ICQ-Nummer als die Handynummer, da das Handy noch nicht so weit verbreitet war.ICQ wuchs und wuchs und entwickelte sich weiter. Es war auf einmal möglich, Menschen auf der ganzen Welt zu kontaktieren, mit ihnen in Echtzeit zu chatten und zu telefonieren. Schon damals gab es das Phänomen, dass junge Menschen vor ihrem Computer gesessen haben und auf Kontakt mit ihren Freunden warteten. Heute schauen viele Menschen auf ihr Smartphone, wenn sie auf Nachrichten warten. Wenn sich die Blume von rot auf grün änderte, bedeutete dies, dass ein Freund online ging.

Teurer Netzbesuch

Wer im Netz unterwegs sein wollte, musste relativ teuer bezahlen. Es gab noch keine Flatrate-Angebote. Die Zeit im Internet wurde über die Telefonrechnung beglichen. Diese fiel dann in vielen Haushalten etwas höher aus. Das ist heute kaum mehr vorstellbar, da wir fast jederzeit online sind, ohne dafür wirklich viel Geld zu bezahlen. Und wenn die Icon-Farbe eines ICQ-Kontaktes von rot auf grün wechselte, war das Glück komplett.

Auch andere Firmen bekamen Wind von dem Erfolg, den ICQ hatte. Mehr als 100 Millionen Menschen nutzten damals den Messenger. Angesichts der gering verbreiteten Infrastruktur des Netzes war dies eine bemerkenswerte Zahl. AOL als erfolgreicher Anbieter von Internetzugängen, entschied sich daher im Jahr 1998 dazu, den Dienst für 40 Millionen US-Dollar zu kaufen.

Noch eine Weile hielt der Erfolg an. Parallel begann AOL wie auch Microsoft an eigenen Messenger-Diensten zu basteln. Das Potenzial des Echtzeit-Chats wollten nun auch andere Dienstleister ausschöpfen. Doch der Boom hielt nicht lange an.

Neue Technik sticht ICQ aus

Bisher hatten sich die Menschen mit einem Modem ins Internet eingewählt. Doch Ende der 90er Jahre gab es plötzlich eine neue Möglichkeit: das Breitbandnetz. Damit kamen auch die ersten Flatrate-Angebote auf den Markt. Immer mehr Menschen gingen online, aber nicht mehr über AOL. ICQ befand sich plötzlich auf der Beliebtheitsskala im freien Fall.

Ab Mitte der 2000er trat Facebook auf das Spielfeld und beendete damit die goldenen Zeiten von ICQ. Der Messenger-Gigant war uncool geworden und hatte sehr viel Konkurrenz bekommen. Ein Dienst wurde durch einen anderen ausgetauscht. Im Internet ist alles flüchtig, Trends kommen und gehen.

Als WhatsApp die Bühne betrat, wechselten auch die letzten ICQ-Fans den Kanal, schreibt Techbook. Denn WhatsApp schaffte etwas, das ICQ niemals gelungen war: WhatsApp löste die SMS ab. Und trotzdem könnte man rückblickend betrachtet ICQ als das frühe WhatsApp bezeichnen. Allerdings haben die technischen Möglichkeiten einen größeren Durchbruch verhindert.

ICQ wird weiterentwickelt

2010 wurde ICQ an die russische Mail.ru Group (jetzt VK Group) verkauft. Zu diesem Zeitpunkt nutzten noch 42 Millionen Menschen den Dienst. Diese Zahl sank schließlich auf zehn Millionen. AOL brachte der Deal 187,5 Millionen US-Dollar ein.

Die VK Group steckte Geld in die Weiterentwicklung von ICQ, beispielsweise in Form von Apps für iOS und Android. Aktuell rangiert die iOS-App in den Charts der Sozialen Netzwerke auf Platz 198. Das letzte Update ist zehn Monate alt. Es gibt keine genaue Analyse der Nutzerzahlen, laut Semrush haben aber zwischen Oktober und Dezember 2023 im Schnitt 2,27 Millionen Menschen die ICQ-Website besucht. Ein Viertel der Besucher kommt aus Brasilien, gefolgt von Russland und den USA.

Das ist ICQ heute

Eine Sache ist faszinierend: Du kannst mit derselben Nummer, mit der du dich vor fast 30 Jahren registriert hast, noch heute ICQ nutzen. Heute bevorzugt der Messenger jedoch Telefonnummern, ohne diese Angabe ist eine Registrierung nicht möglich. Deine alten Kontakte tauchen dann auch alle wieder auf. Ob sie noch aktiv sind, ist eine andere Frage.

Auch die Bedienung hat sich kaum verändert und ist intuitiv - wie vor drei Jahrzehnten. Die Liste deiner Kontakte befindet sich links, rechts ist das Chatfenster zu sehen. Auf den ersten Blick ist ICQ wie damals, aber die Programmierer haben ein paar neue Features eingebaut. Beispielsweise gibt es eine Sprachfunktion, Bilder-, Video- und Dateiversand, die Möglichkeit für Gruppen-Chats oder Sprach- und Videoanrufe und sogar Umfragen. Alles Funktionen, die du von prominenten Messenger-Diensten kennst. Emojis gab es bei ICQ schon früher und sind natürlich auch heute noch vorhanden.

Bleibt die Frage, ob ICQ wirklich eine Alternative zu WhatsApp, Telegram, Signal oder Snapchat bildet? Wenn man den Angaben der VK Group Glauben schenkt, sind bei ICQ nicht nur Nachrichten Ende-zu-Ende verschlüsselt, sondern auch erstmals bei einem Messenger auch Videoanrufe. In der Theorie ist ICQ damitsicherer als die Konkurrenz. Ausprobieren und vielleicht einen Retro-Trend inszenieren, lautet hier die Devise.

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